Die Kirche des Dichters

14. Mai 2020

Kirchen wie Türme, sie loben den Herrn,
künden von Menschen mit christlichem Kern
bei Andacht, Musik und klassischen Chören,
was Freude mir ist, diese oftmals zu hören.
Hier trifft man Gemeinde, wie sie sollte sein:
Familien und Freunde, mal groß, manchmal klein.
„Komm, Dichter, geh‘ mit uns. Ich lade dich ein.
Zur Kirchweih sollst du unser Ehrengast sein!“
 
„Nein, danke! Da fällt mir was Besseres ein!
Am Sonntag bleib lieber ich für mich allein,“
war’s Dichters Erklärung, die ich nicht verstand.
„Dann fährst du gewiss lieber quer über Land?“ –
„Das ist’s nicht! Mich lockt mehr die luftige Höh‘,
von wo aus das Städtchen als Ganzes ich seh‘.
Dort bin ich dem Herrgott gewiss weitaus näher
als ihr kirchengetreuen Gesangbuchbeseher!
 
Ich will dir zeigen, wo mein Kirchlein steht.
Ich hole dich ab so früh wie es geht.
Dann schau’n wir vom Fröndenberg auf unsre Stadt.
Du staunst, was sie alles zu bieten dir hat. –
Die Stille des Stadtwalds gefiel mir gar sehr,
auch der Blick von dem Gipfel aufs Häusermeer. –
„Schau hin, dort im Zentrum gibt’s Kirchen gleich vier,
von fleißigen Menschen gebaut voller Zier!
 
Doch besser, wir schauen auf Berge und Höh’n!
Du staunst, was der Herrgott geschaffen so schön!
Sein Werk, meine Heimat, hat er uns gebaut.
Jeder Blick aus dem Waldsaum ist mir längst vertraut.
Unter maigrünem Blattwerk von Buchen und Eichen
versuch‘ ich, die Färbung des Grüns zu vergleichen.
Dieser Steinblock aus Kalkstein, das ist mein Altar,
doch fehlt mir zum Glück noch ein echter Talar.
 
Hier oben bin ich stets mein eigner Pastor.
Gleich droben stell‘ ich meine Kanzel dir vor.
Der Ansitz der Jäger scheint für mich gebaut.
Von dort aus man bis zu den Flussläufen schaut.
Bei Sonnenschein blinkt hell wie Silber was auf,
das ist der Lenne sich windender Lauf.
Im Norden fließt kurz vor dem Haarstrang die Ruhr.
Siehst du im Westen die Eisenbahnspur?
 
Sie führt bis nach Schwerte, hält dann sich versteckt,
doch siehst du sie wieder vorm Haarstrang direkt.“ –
„Gleich wird es wohl regnen!“ war ‘n meine Bedenken. –
„Das Bisschen mag kommen“, wollt‘ er mich ablenken.
„Bei Sturmwind ist’s herrlich, hier oben zu steh‘n.
Ich fühl mich hier ganz als ein Schiffskapitän.
Vom Hochsitz her führe mein Schiff ich durch’s Feuer.“ –
Darauf meine Antwort: „Mir ist nicht geheuer!“
 
„Noch bläst’s ja nur wenig!“ wollt er mich betütern,
da kracht’s Blitz und Donner! Ich fing an zu zittern. –
„Siehst du die Stämme ganz vorn links und rechts
der haushohen Fichten trotz Seekriegsgefechts?“ –
„Jawohl, Kapitän, zusammen sind’s vier!“ –
„Das ist meine sturmfeste Viermastbark hier!“ –
Schon sah er im Norden die Leuchtfeuer blinken.
„Ich gehe von Bord, denn „dein Schiff“ droht zu sinken!“ –
 
Ich griff ganz beherzt in die Sprossen der Leiter,
dem Käpten rief zu ich: „Hier bleib ich nicht weiter!
Doch eines, das lass‘ dir ganz deutlich noch sagen:
„Du solltest an all‘ deinen künftigen Tagen
bekennen, was du möchtest wirklich mal sein,
Pastor oder Käpten? Ich fall nicht drauf rein!
Du bist allenfalls nur ein Illusionist.
Ein Dichter bleibt stolz auf das, was er ist!

© Ernst Dossmann

Die Kirche des Dichters
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