Brücken und ihre Geländer

von Gerd Riese


Jede Brücke hat zwei Geländer.
Eines links, eines rechts,
es kommt auf die Sichtweise an,
wohin einer unterwegs ist.
Jede Brücke hat Abgründe.
Auf jeder Seite. Überall.
Hat Geländer, die Schutz bieten.
Und eine Verlockung sind.

Man kann sich dem Geländer
vorsichtig nähern. Wer weiß,
ob es hält, wirklich fest ist.
Manche sprechen von Höhenängsten.
Andere vertrauen dem Geländer,
lehnen sich so weit wie möglich darüber,
schauen hinunter in die Tiefe.
Bahngleise. Ein Tal. Ein Fluss. Leere.

Man kann auch emporklettern,
hoch auf das Geländer,
kann die Arme ausbreiten
und sich einem Traum hingeben.
Und wenn es der letzte Traum ist.
Auf jeden Fall, das scheint gewiss,
steht eine Entscheidung an,
vor oder zurück? Glaube oder Zweifel?

Mag sein, es ist von vorneherein sinnlos,
auf irgendeinen Sinn aus zu sein.
Ich bin alt, kenne Abgründe.
Sie waren nicht zu vermeiden.
Totzukriegen war ich nie.
Wem zu danken, darüber
gibt es unterschiedliche Ansichten.
Jede Brücke hat zwei Geländer.


© Gerd Riese
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